Rede zur Lage der Pressefreiheit

bei der Kundgebung "75 Jahre Grundgesetz" am 26. Mai 2024 auf dem Theodor-Heuss-Platz Bremerhaven

 

Liebe Bürgerinnen und Bürger Bremerhavens!

Eine der wichtigsten Säulen einer Demokratie ist die Pressefreiheit. Diese garantiert der Artikel 5 unseres Grundgesetzes:

(1) (...) Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Aktuell gibt es meiner Meinung nach tatsächlich keine Gefährdung der Pressefreiheit durch staatliche Stellen, - so lange in unseren Parlamenten und Regierungen demokratische, rechtsstaatliche und liberale Parteien in der Mehrheit sind.

Doch es gibt andere Gefahren für die Pressefreiheit. Denn wenn Journalistinnen und Journalisten von AfD-Leuten oder anderen Extremisten, Frustrierten oder Pandemiegeschädigten bedroht und eingeschüchtert werden, ist das eine Gefährdung der Pressefreiheit. Das ist unerträglich und fordert den entschlossenen Mut und Widerstand der demokratischen Öffentlichkeit heraus.

 

Zu den Gefährdungen der Pressefreiheit gehört aber auch seit einigen Jahren gerade in lokalen Medienunternehmen das sogenannte Click-Baiting. Click-Baiting ist das Auswerfen von Ködern mit Sensationen ohne Rücksicht auf Inhalte oder moralische Maßstäbe, nur um so Reichweite zu erzeugen. Damit im Zusammenhang steht eine Boulevardisierung, die einer Entpolitisierung der Berichterstattung gleichkommt und damit das Wächteramt aufgibt, das Medien als Korrektiv in einer Demokratie haben sollten. Ich finde, dass Click-Baiting mit ordentlichem Journalismus nichts mehr zu tun hat. Auch das gefährdet die Pressefreiheit.

Und noch etwas gefährdet die Pressefreiheit: Das ist meiner Meinung nach eine falsch verstandene Überparteilichkeit von sich als seriös verstehenden Medien, die dadurch jedoch Grenzen von Sagbarem nach rechts verschieben. Ein Beispiel: Kürzlich wurde in der Nordsee-Zeitung von einem Lehrer berichtet, der nun, Achtung Triggerwort! Klartext rede und der anonym bleiben wolle, Zitat, „weil er sonst mit Repressalien rechnen muss“. Steht da tatsächlich so im Indikativ! Wer so etwas schreibt, redet der rechtsradikalen Legende das Wort, dass wir in einer Art DDR 2.0, also in einer Diktatur lebten. Das traurig Witzige ist dabei ja, dass solche Meinungen veröffentlicht werden können, ohne dass es irgendwelche strafrechtlichen, zivilrechtlichen oder disziplinarrechtlichen Folgen hätte. –

Um sich selbst eingestandenermaßen nicht dem Vorwurf auszusetzen, rechtsextreme Positionen würden von der NZ unterdrückt, hat die NZ am 26. März 2024 auch rassistische Kommentare aus dem Social-Media-Account der Nordsee- Zeitung ohne jegliche Kommentierung oder Einordnung abgedruckt. Das ist eine journalistische Bankrotterklärung. Sie droht, den Unterschied zwischen professioneller journalistischer Berichterstattung und rechtsradikaler, lancierter Meinungsmache auf Social-Media-Kanälen zu verwischen.

Es ist fatal, wenn der Chefredakteur und sein Stellvertreter das Abdrucken derartiger rassistischer Facebook-Kommentare so rechtfertigen: Zitat „Allerdings verschließen wir die Augen nicht davor, dass es diese Stimmen auch in unserer Stadt gibt, dass diese Stimmen auch zur Wahrheit gehören - ob sie uns gefällt oder nicht. (...) dies ist aber Teil unserer Profession.“– Nein, werte Kollegen, es ist bedauerlicherweise falsch verstandene Profession, wenn man rassistische Positionen unkommentiert und nicht eingeordnet abdruckt. Indem man solchen abgedrifteten Positionen seriösen Raum gibt, lässt man sie als Meinungen gelten, die dem Austausch von Argumenten zugänglich wären! Sind sie aber nicht. Das sind nur 

Ressentiments! Denn merke: „die Wahrheit ist kein Kompromiss irgendwo in der Mitte zwischen Wahrheit und Lüge.“ (Rebecca Solnit)

Vielleicht sollten die lokalen Medien mehr den Rat Martin Luthers beherzigen, furchtlos dem Volk aufs Maul zu schauen, aber nicht liebedienerisch nach dem Mund zu reden. Deshalb muss gelten: Rassistische und die Würde des Menschen antastende Äußerungen dürfen in einem sich dem Grundgesetz verpflichteten seriösen Medium keine Plattform bekommen! Wer solchen Stimmen Raum gibt, beschwichtigt und gibt gegenüber den Drohungen von Extremisten, manchmal auch in der verharmlosenden Verkleidung von Biedermännern, klein bei. Diese Form der medialen Beschwichtigung hat schon in den 1930er Jahren nicht funktioniert und sie wird auch jetzt nicht funktionieren. Deshalb: Wehret den Anfängen!