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Positionen und Forderungen für die Innenstadtentwicklung in Bremerhaven

© V. Heigenmooser

Es ist gut, dass die Stadt nun die Planung für die Innenstadtgestaltung unabhängig von gelegentlich launischen Investoren selbst in die Hand nimmt.

Wie beim Bürgerdialog am 18. September 2024 erklärt wurde, sollen auf dem Karstadtgelände drei Ziele verwirklicht werden: 

 

1.    Stadtbibliothek als kulturelles Forum mit Vorbildern in Groningen und Århus

2.    Jugendgästehaus

3.    Sichtachse Havenwelten-Innenstadt

 

Gedacht ist, dass die Städtische Wohnungsgesellschaft (Stäwog oder eine ihrer Tochterfirmen) baut, die Stadt die Bauten für 30 Jahre mietet und somit den Bau finanziert.

 

Positionen

Während mit dem geplanten Abriss der Karstadt-Erweiterung aus den 1970er Jahren, die parallel mit dem Columbus-Center entstand, der historische Stadtgrundriss mit seiner rasterartigen Struktur ein Stück weit wiederhergestellt werden kann, würde mit der Anlage einer schrägen Achse durch den Stadtkörper die ansonsten rechtwinklig aufgebaute Struktur des Innenstadtraumes ohne Not und ohne Gewinn wieder zunichte gemacht (siehe Studie von Gerber Architekten und De zwarte Hond).

 

Wenn das nachvollziehbare Ziel städtebaulicher Bemühungen darin besteht, die Innenstadt mit den Havenwelten zu vernetzen, dann müssen diese gewollten Verbindungen zwischen dem Alten/Neuen Hafen und der Innenstadt die vorhandenen stadträumlichen Strukturen, und das heißt hier eben insbesondere das rasterartige Blocksystem verstärken. Das kann nur gelingen, wenn die Ost-West-Verbindungen des Stadtgrundrisses auf Fußgänger- und Radfahrerebene verbessert werden. 

Die Kreuzungspunkte dieser Ost-West-Straßen mit der Columbusstraße erhalten dabei eine besondere Bedeutung, wie Latz + Partner bereits 2014 deutlich gemacht haben. Es muss möglich werden, im Erdgeschoss an der Columbusstraße bauliche Nutzungen mit Magnetwirkung anzubieten, die auf genau dieser Ebene, nämlich der Fußgängerebene ohne Treppen und Aufzüge leicht erreichbar sind.

 

Wenn es gelänge, den dem KfZ-Verkehr vorbehaltenen Straßenraum der Columbusstraße, wie in dem Gutachten vom Ingenieurbüro BERNARD Gruppe ZT 2021 vorgeschlagen, zu halbieren, könnte 

a)    ausreichend Straßenraum für Fußgänger und Radfahrer in den Nord-Süd- wie auch in den Ost-West-Achsen geschaffen werden

b)    sich an den Kreuzungspunkten der Columbusstraße Gastronomie mit Blick auf den Alten/Neuen Hafen ansiedeln 

c)    die Straße durch Bäume ein völlig neues Gesicht erhalten und 

d)    sich somit schließlich die Columbusstraße zu einem für alle Bürgerinnen und Bürger wie auch für die Touristinnen und Touristen attraktiven Stadtraum, ja, zu einem Fenster der Innenstadt auf die Havenwelten und umgekehrt aus den Havenwelten in die Innenstadt mit der Oberen und der Unteren Bürger entwickeln.

 

Aus diesen Positionen ergeben sich folgende Forderungen:

 

1.    Dringend erforderlich ist ein Konzept, das die gesamte Innenstadt bis zum Deich in den Blick nimmt. Das Mittel der Wahl ist dafür ein städtebaulicher Wettbewerb

 

2.    Mit der Fokussierung auf eine „Stadtbibliothek+“ und ein Jugendgästehaus auf dem Karstadtgelände kann man leicht in eine Sackgasse laufen. Ins Auge gefasst werden müssen mindestens auch das Eulenhof- und das Finanzamtsgrundstück, die Columbusstraße sowieso, ganz zu schweigen von weiteren Ost-West-Achsen, wie von Latz + Partner 2014 vorgeschlagen. Betrachtet werden muss auch, welche Funktion die nach dem (Teil-)Abriss des ehemaligen Karstadtgebäudes wiederhergestellte Straße „Am Alten Hafen“ haben soll.

 

3.    Für die Neugestaltung des Karstadtareals sollte in der geplanten Machbarkeitsstudie nicht nur der Totalabriss, sondern auch ein Teilabriss mit weitgehendem Erhalt des (1958 als damalige Architektur preisgekrönten) Stahlbetonskelettbaus untersucht werden. Denn moderner Stadtumbau muss sich an ökologischen und umweltfreundlichen Zielen orientieren. Dem stünden diametral ein Totalabriss des Karstadtkomplexes und an seiner Stelle Ersatzneubauten entgegen. Dadurch würden ungeheure Mengen an CO2 Emissionen freigesetzt, Ressourcen verbraucht und auch die baukulturelle, identitätsstiftende Kraft existierender Bauten wie dem 1950er Jahre Karstadtbau nicht genutzt. Eine Klimastadt Bremerhaven, wie immer wieder von unseren Entscheidungsträgern vorgetragen und im „Bremischen Klimaschutzgesetz“ (BremKEG 2022) beschlossen, sollte hier innovativ vorgehen. Also muss das Ziel Umbau statt Abriss sein. Die Nutzung des Stahlbetonskeletts als Rohbau für die Stadtbibliothek+ und gegebenenfalls für ein neues Jugendgästehaus würde die Neubebauung des Areals zeitlich erheblich verkürzen sowie finanzielle Vorteile schaffen.

 

 

Fazit:

Die Fixierung auf einen vollständigen Abriss des Karstadtgebäudes (und den damit verbundenen Fakten) schränkt die Perspektiven für dieses Areal und die Innenstadtentwicklung erheblich ein. 

 

Deshalb dürfen bei einer Machbarkeitsstudie nicht nur die in Rede stehenden Projekte untersucht werden, sondern es müssen auch andere Möglichkeiten, wie z. B. eine schon angedachte Freifläche oder die innovative Nutzung des als Rohbau vorhandenen Stahlbetonskelettbaus in Betracht gezogen werden. 

 

Solche Nutzungen und ihre Einbettung in die weitere Planung wären die wichtigsten Aufgaben eines Architektenwettbewerbs nach Vorliegen einer Machbarkeitsstufe. 

 

Für den aus unserer Sicht notwendigen städtebaulichen Wettbewerb ist es entscheidend, wie die Wettbewerbsaufgabe formuliert und wie der Wettbewerb ausgelobt wird (Teilnehmerfeld, Preisgericht). Dabei sollte auf die Expertise der Fachausschüsse und Gremien in den Architektenkammern, Verbänden und Fachbehörden zurückgegriffen werden.

 

All dies muss transparent erfolgen, so dass sowohl die politischen Institutionen als auch interessierte Bürgerinnen und Bürger sowie Beteiligte (neudeutsch: Stakeholder) diesen Prozess begleiten können.

 

 

Oktober 2024

 

Hedwig M. Binder, Rainer Donsbach, Hans-Joachim Ewert, Jürgen Grube, Silke Grube, Volker Heigenmooser