
https://kress.de/news/beitrag/149358-quot-mehrere-journalisten-abg...ben-quot-chef-der-zeitungsverleger-battlet-sich-mit-behoerde.html
Der Verleger der #Nordsee-Zeitung in #Bremerhaven, zugleich auch Vorsitzender des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V. (BDZV), Matthias Ditzen-Blanke, hat auf die stolze Meldung der Pressesprecherin des Magistrats der Stadt Bremerhaven, dass der von ihr verantwortete Instagram-Kanal 10.000 Follower erreicht habe, mit erstaunlicher Säuernis und mit Vorwürfen gegen „die Politik“ reagiert. In einem LinkedIn-Beitrag (https://www.linkedin.com/in/matthias-ditzen-blanke-4a21a04/recent-activity/all/#:~:text=Öffentlichkeit%20ist%20kein%20PR%2DProjekt%20–%20sondern%20Grundlage%20unserer%20Demokratie.) schreibt der Verleger, „Was auf den ersten Blick wie ein Erfolg klingt, ist bei genauerem Hinsehen ein beunruhigendes Signal: Statt sich mit kritischer Berichterstattung auseinanderzusetzen, baut die Politik ihre eigene Deutungsmacht auf“. Das ist eine interessante Position, die der näheren Betrachtung wert ist.
Wobei ich zugeben muss, dass im Grunde Alexander Graf von „Übermedien“ in seinem Newsletter (29.3.2025) schon den Post des Verlegervorsitzenden richtig eingeordnet hat:
„Es ist ein altes Lied: Der arme Journalismus gegen die Macht der Pressestellen, die oft besser ausgestattet sind als viele Lokalredaktionen. Ich würde nun gar nicht widersprechen, dass es wünschenswert ist, die Kräfte wären anders verteilt. Nur, wer trägt denn daran die Schuld? Die Verwaltungen und Ministerien, die schlicht auf eine zeitgemäße und vom Bürger erwartete Kommunikation setzen – oder nicht vielleicht doch auch die Verleger?
Es ist jedenfalls ziemlich peinlich, vom Ausbau der ‚Deutungsmacht‘ seitens der Politik zu raunen, wenn man gleichzeitig die eigene Deutungsmacht kontinuierlich abbaut. Überall werden Stellen gestrichen und Lokalredaktionen geschlossen. Gerechtfertigt wird das mit der wirtschaftlichen Situation, für die man selbst aber – Sie ahnen es schon – natürlich nichts kann.
Zudem kann man das vorwurfsvolle ‚abgeworben‘ aus Ditzen-Blankes Post auch einfach als ‚geflüchtet‘ übersetzen. Denn egal, ob man mit aktuellen Kollegen aus dem Lokaljournalismus spricht, oder den zahlreichen, die die Branche bereits verlassen haben: Immer hört man einstimmige Klagen über schlechte Bezahlung, mangelnde Wertschätzung, rückständige Unternehmenskulturen, hohe Arbeitsbelastung und so weiter. Aber daran ist sicher auch das Internet schuld.“
Zur letzteren Einschätzung, kann ich aus Kenntnis der lokalen Situation ergänzen, dass tatsächlich keiner der Kolleginnen und Kollegen weder von der Pressestelle des Magistrats noch von anderen Gemeinden im Landkreis Cuxhaven, von der Bremerhavener Tourismusgesellschaft „Erlebnis“ oder von der Evangelischen Kirche abgeworben wurde, sondern sie haben ganz freiwillig und geradezu fröhlich die Redaktion der Nordsee-Zeitung verlassen. Und die Bemerkung sei mir erlaubt: Es sind gute und fast immer erfahrene Leute, die der Nordsee-Zeitung den Rücken gekehrt haben.
Ich will jedoch auf einen aus meiner Sicht wichtigen Aspekt hinweisen, den der Verleger so geflissentlich übersieht: Es ist sein und seinesgleichen Desinteresse an qualifizierter Berichterstattung, die doch das eigentliche Alleinstellungsmerkmal professioneller journalistischer Medien sein müsste. Das scheint der Verleger nur noch nicht verstanden zu haben, der sich wie sein Vorgänger und Erblasser jahrelang in der gewinnträchtigen Situation eines Medienmonopols seit den 1970er Jahren bequem eingerichtet hat. Die von Ditzen-Blanke postulierte „kritische Berichterstattung“ ist schon seit Jahren von einem bunten Allerlei (bis auf gelegentliche Eintagsfliegen) abgelöst worden. Ödnis und viel Trallala kennzeichnen die lokalen Inhalte, für die immer weniger Menschen bereit sind, viel Geld auszugeben, aktuell 61,20 Euro/Monat für das gedruckte Exemplar, Onlinezugang inklusive. Das wollen (oder können) sich Viele nicht mehr leisten, weil Buntes und Trallala ohnehin (scheinbar) kostenlos in Social-Media-Kanälen zu haben ist.
In einer Serie zur nach Meinung des Verlegerfunktionärs Ditzen-Blanke durch Pressestellen gefährdeten Pressefreiheit druckte die Nordsee-Zeitung immerhin die Aussage des Bürgermeisters der Bremerhavener Nachbargemeinde Schiffdorf, Henrik Wärner (CDU), der der Zeitung ihre Defizite sehr deutlich vorhielt: „In Ihrer aktuellen Serie zur Pressefreiheit fehlt mir offen gestanden die Selbstkritik. Als Städte und Gemeinden ärgern wir uns, dass das Geschehen in unseren Kommunen immer weniger Platz im Blatt findet. Natürlich kennen auch wir die Zwänge der Verleger in einer sich ändernden Medienkultur. Andererseits ist uns wichtig, dass unsere Bürger über das Geschehen vor Ort informiert sind. Darum brauchen wir Pressestellen.“ Und er setzt noch einen Punkt drauf: „Ich würde mich aber als Leser freuen, wenn wieder mehr aus unseren Ortschaften, dem Regionalsport und den politischen Gremiensitzungen berichtet würde.“ (NZ 2.5.2025, Link: https://www.nordsee-zeitung.de/cuxland/landrat-kritische-presse-gehoert-unbedingt-zur-demokratie-288223.html)
Die Kritik Wärners trifft den entscheidenden Punkt. Wenn sich professionelle journalistische Medienbehaupten wollen in einer sich verändernden Medienlandschaft, die zunehmend die Möglichkeit für nahezu jeden Menschen bietet, sich seine Informationen oder Meinungen aus aller Welt und von vor Ort aus diversen digitalen Quellen zu holen, müssen professionelle journalistische Medien noch professioneller werden. Genau das tut jedoch die Nordsee-Zeitung nicht, die hier als pars pro toto für viele Lokalmedien steht. Im Gegenteil, sie hat Stellen abgebaut, Seiten reduziert und hat guten und erfahrenen Leuten aus der Printwelt zugemutet, sich als „Techie“ zu betätigen. Dass das schiefgehen muss, liegt auf der Hand.
Es hat Zeiten gegeben, in denen es selbstverständlich war, dass die NZ von jeder Stadtverordnetenversammlung ausführlich berichtet hat ebenso wie aus den öffentlich tagenden Ausschüssen, dass die Parteitage der örtlichen demokratischen Parteien in der NZ Gegenstand der Berichterstattung samt Kommentierung waren. Dass ich hier auf die politische Berichterstattung abhebe, liegt vor allem daran, dass der Verleger der NZ und Verlegerfunktionär des BDZV die Magistratspressestelle als Konkurrenz kritisiert, die die Pressefreiheit bedrohe. Das verwechselt Ursache und Wirkung: Da das lokale Monopolmedium die politische Berichterstattung drastisch reduziert hat, ist das politische Gremium Magistrat geradezu verpflichtet, über seine Arbeit die Bürgerinnen und Bürger zu informieren. Dass dazu, neben dem Verschicken von Pressemitteilungen in erster Linie für alle relevanten Medien die vergleichsweise günstigen Möglichkeiten von etablierten Social-Media-Kanälen genutzt werden, ist konsequent und notwendig.
Neben den schon genannten Gründen hat sich die NZ Fehler geleistet, die sie, den geschönten Zahlen des Verlegers über phänomenale Reichweiten auf LinkedIn zum Trotz, ins Abwärts führt. Geradezu genial ist der Streich der NZ zu nennen, selbst Pressemitteilungen der Stadt, der Polizei, einer Klinik und anderer Institutionen, Parteien und Vereine, die die Redaktion kaum bis gar nicht redaktionell bearbeitet, auf ihr Online-Portal hinter die Bezahlschranke zu packen. Genau diese Praxis hat zur Folge, dass die intelligenteren Nutzerinnen und Nutzer eben die Online-Ausgabe der NZ verlassen und sich aus den Internetauftritten der herausgebenden Institutionen, Parteien, Vereine etc. die gewünschten Informationen holen.
Zusammenhänge aufzeigen, Hintergrund erhellen und Interessen aufdecken, wird immer häufiger Fehlanzeige. Christian Lindner, einige Jahre Digitalchef der NZ hat nach seinem Ausscheiden, offiziell aus Altersgründen, über notwendige Veränderungen in den Redaktionen 14 Thesen aufgestellt, die durchaus allgemein als diskussionswürdig zu betrachten sind, zugleich aber auch als deutliche Kritik an seinem früheren Arbeitsgeber zu verstehen sind (nachzulesen hier: https://kress.de/news/beitrag/148458-14-thesen-von-christian-lin...so-koennte-ki-die-medien-und-newsrooms-bis-2030-veraendern.html). Zentral an den Thesen ist der von vielen Medien selbstverschuldete Mangel an gutem Personal.
Das hat auch damit zu tun, dass das vorhandene oder neu eingestellte Personal Dinge machen muss, für die es nicht qualifiziert ist. Es gehört heute noch zu den Mythen, dass journalistische Texte für jedes Medium tauglich seien. Ein gründlicher Irrtum. An einen Printtext werden andere Anforderungen gestellt als an einen Text im digitalen Medium, im Hörfunk (Podcast) oder im Video. Wenn ich höre oder lese, der- oder diejenige in der Redaktion solle „trimedial“ arbeiten, kriege ich immer einen Lachanfall.
Und wer meint, Inhalte seien nur Beiwerk, der befindet sich auf einem Holzweg, auf den die hergebrachten Leserinnen und Leser nicht folgen wollen, weshalb sie ihre Abonnements kündigen, und andere, jüngere Interessierte werden damit nicht gewonnen. Denn betrachtet man einmal die NZ im Jahr 2018, dann fällt auf, dass es noch jeweils eine Seite „Lokale Kultur“ sowie eine Seite (überregionale) „Kultur“, gab. Zudem noch (allerdings nicht täglich) eine Seite Bremerhaven-Nord und Bremerhaven-Süd zusätzlich zu den lokalen „Büchern“, eine Seite „Bremen“ und mindestens einmal die Woche eine „Hafenseite“. Kurz gesagt, da war noch jede Menge Inhalt, der über die Jahre verlorenging. Es ist folgerichtig, dass so die Printauflagen sinken und nicht über digitale Reichweiten kompensiert werden können, wenn in dem Bereich des Digitalen nicht ordentlich investiert wird, vor allem in Manpower. Einige Medienhäuser scheinen das zu schaffen. Allerdings nicht die NZ, deren Verleger seine Zeit ganz offensichtlich zur Profilierung als BDZV-Funktionär nutzt, statt seinen Laden zukunftsfähig aufzustellen. Sein Angriff gegen den Ausbau von Pressestellen lenkt tatsächlich nur von seinem Versagen ab.
(Hinweis zu Interessenskonflikten: Der Autor war viele Jahre lang u. a. freier Mitarbeiter der Nordsee-Zeitung und später Pressesprecher des Magistrats der Stadt Bremerhaven, auf dessen Mist der Ausbau der Pressestelle des Magistrats, wie er heute vorzufinden ist, gewachsen ist.)