Heute, am 15. Juni 2025 ist in der Bundesrepublik Deutschland der erste gesetzliche Veteranentag. Ja, die Welt ist nicht so, wie zu wünschen wäre, friedlich und auf Freundlichkeit dem Mitmenschen gegenüber aufgebaut. Ja, es gibt Situationen, in denen aus Gründen der Notwehr kaum anderes möglich ist, als sich zu wehren. Dennoch: so verständlich es ist, verteidigungsfähig zu sein, so unverständlich ist es für mich, "kriegstüchtig" werden zu sollen. Aus Anlass dieses "Veteranentags" stelle ich die persönliche Sicht eines 19-jährigen hier zur Diskussion, es ist meine Begründung der Kriegsdienstverweigerung aus dem Jahr 1974:
Lauingen, den 27. März 1974
Betr.: Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer
Az.: 24-11-01-00 PA 51/74/55
(…)
1961 trat ich in die Volksschule vor dem Roten Tor in Augsburg ein. Durch häufigen Lehrerwechsel gestaltete sich diese Zeit einigermaßen schwierig. Beeindruckt wurde ich, als in der 3. Klasse mein Klassenlehrer starb. Dies war meine erste Konfrontation mit dem Tod. Nach der vierten Klasse wechselte ich in das Peutinger-Gymnasium Augsburg über. Makabererweise starb dort auch ein Lehrer, gerade der der Mathematik, - damals eines meiner Lieblingsfächer. Die Beerdigung dieses Menschen war für mich ziemlich tiefgreifend. Ich sah zum ersten Mal bewußt den Schmerz des Todes, den ich bald noch besser kennenlernen sollte. (…) Ich wechselte ich auf den Rat meines Vaters in das Musische Gymnasium Lauingen über. Mein Vater war damals der Meinung, daß ich dadurch, daß ich in einem Internat sei, selbständiger werden würde.
Am 21. Juni 1967 starb mein Vater an einem Herzinfarkt.
Von da an begann für mich ein neuer Abschnitt in meinem Leben.
(…) Seit dieser Zeit konnte ich einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem T o d nicht mehr aus dem Weg gehen.
Wie kommt es zum T o d ?
Muß T o d sein?
Wer ist an T o d schuld?
Ich wurde von nun an bewußter als die Meisten meiner Altersgenossen mit den Problemen konfrontiert, die zum Tod führen:
Hunger, Elend, Ungerechtigkeiten, Dogmatismus, Intoleranz, Diktatur, Unsozialität, - - Krieg.
Dank meiner christlichen Erziehung war es für mich nicht allzu schwer, den Weg zu Gott und Jesus Christus zu finden. Dies kam nicht auf geradem Weg, sondern durch die Auseinandersetzung mit J. P. Satre, A. Camus, F. Nietzsche u.a.
Aus christlichem Auftrag heraus wurde ich auch sozial tätig. Das heißt, ich tat Dienst in Krankenhäusern, engagierte mich auf politischem Gebiet für sozial Schwache, Außenseiter und versuche laufend im Bewußtsein meiner Mitmenschen Interesse für den Anderen zu wecken.
Es gibt viele schreckliche Dinge auf der Welt, angefangen vom Hunger bis zu Verkehrsunfällen; grausame Dinge, der Krieg ist der grausamste von allen.
Ist es nicht meine Aufgabe meiner eventuell im K r i e g verletzten Mutter zu helfen, anstatt die Mutter eines anderen Menschen zu töten versuchen??
Ich bin der Meinung, daß sich hier mein christlicher Auftrag und der Auftrag jedes Menschen über alle ideologischen und nationalen Grenzen hinwegzusetzen hat.
Krieg ist nicht notwendig, die Geschichte gibt genügend Beispiele wie Krieg verhindert hätte werden können, wenn nur der W i l l e da gewesen wäre.
Es gibt keinen gerechten Krieg und auch keinen zu rechtfertigenden Krieg. Mag es auch s c h e i n b a r rational widerlegbar sein, ich glaube es nicht.
Seit ich weiß, daß es die Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung gibt, stand es für mich fest, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.
Das war etwa 1970/71; zu dieser Zeit malte ich Plakate gegen den K r i e g. Ab 1971 schreibe ich auch. Zentrales Thema ist der T o d.
Als 1972 meine Freundin auf unglückliche Weise starb, konnte ich nochmal am eigenen Leib erfahren, was der Verlust eines Menschen bedeutet.
Ich betrachte es als meine Aufgabe, mein Leben in den Dienst meiner Mitmenschen zu stellen. Man darf mir glauben, daß ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht habe, aber, - ich kann keinen anderen Weg wählen als den des Pazifismus.
Als Begründung reicht m. E. der einfache Satz:
Mein Leben begründet meinen Pazifismus.
Mit freundlichem Gruß