
„Baustart im Werftquartier: Meilenstein für neues Stadtviertel erreicht“, so lautet die Überschrift einer Pressemitteilung des Magistrats vom 1. August 2025. Tatsächlich haben Magistratsmitglieder und wenigstens ein Mitglied des Senats gemeinsam mit Dieter Petram und der Familie Ehlerding einfach etwas gefeiert, was sie „Baustart“ nennen. (Dabei gehen wir mal davon aus, dass die Feier mit Musik, Getränken und Essen für über 100 Leute von den sogenannten Investoren im geplanten Werftquartier bezahlt wurde .) Das hat etwas Lächerliches.
Denn einen legalen „Baustart“ konnte und kann es vorerst gar nicht geben. Der Grund: Zurzeit ist das Gebiet an der Riedemannstraße, dort, wo früher das Verwaltungsgebäude der untergegangenen Seebeck-Werft stand, noch Gewerbegebiet, auf dem Wohnbebauung nicht erlaubt ist. Aber es soll zukünftig erlaubt sein. Aber erst dann, wenn die Stadtverordnetenversammlung zum einen die Änderung des gültigen Flächennutzungsplans, und zum anderen einen neuen Bebauungsplan beschlossen hat. Schade, dass weder die Pressestelle des Magistrats noch die berichtenden Medien (Nordsee-Zeitung und Radio Bremen) darüber ein Wort verlieren.

NZ 2.8.25
Tatsächlich ist es so, dass der Entwurf für den Bebauungsplan 500, der die Grundstücke der ehemaligen Seebeck-Werft an der Riedemannstraße betrifft, die Petram und Ehlerding beim Ende der Werft „günstig erworben“ haben, voraussichtlich erst einmal in der nächsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am 18. 9. 2025 und wahrscheinlich danach in der Stadtverordnetenversammlung am 30. 10. 2025 beschlossen wird. Wenn nicht, was man in dieser Stadt nicht ausschließen kann, der Bau- und Umweltausschuss einfach übergangen wird und gleich die Stadtverordnetenversammlung, die bereits am 4. 9. 2025 tagt, sich der Sache annimmt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass vorher die 23. Änderung des Flächennutzungsplans von der Stadtverordnetenversammlung genehmigt worden ist. Es könnte also durchaus sein, dass eine Mehrheit der Stadtverordneten zumindest einige Nachbesserungen an dem Bebauungsplanentwurf für nötig hält. Dann würde es nichts mit einem schnellen Inkrafttreten des Bebauungsplans 500 und ein tatsächlicher Baustart wäre noch nicht abzusehen.
Denn es gibt gewichtige Gründe, die dafür sprechen, den Entwurf des Bebauungsplans 500 in der vorgelegten Form nicht zu verabschieden. Die Stadtverordneten sollten deshalb genau hinschauen, bevor sie ihre Hand heben.
Vor allem deshalb, weil der Entwurf dieses Bebauungsplans 500 in wichtigen Bereichen dem Städtebaulichen Rahmenplan, den die Stadtverordnetenversammlung am 5. 7. 2022 beschlossen hat, nicht entspricht.

Fangen wir doch mal mit dem kleinen an. Eine zentrale Rolle für die Entwicklung des Werftquartiers spielt das Thema Nachhaltigkeit. In der Begründung des Plans 500 kommt das Wort nachhaltig jedoch nur einmal vor, und da als Zitat des § 1 des Baugesetzbuchs. Nur mal zum Vergleich: im gültigen Rahmenplan kommt der Begriff 39 Mal vor!
Ein weiterer wichtiger Punkt im Rahmenplan steht unter der Überschrift „Bestand als Quartiersmotor“: „Die Katalysatoren sind bestehende Gebäude, die die DNA des Distrikts inszenieren und bewahren.“ Abgesehen vom Thema Nachhaltigkeit, Stichwort Graue Energie, hat Dieter Petram als der Sprecher der Investoren, die im Lauf der Jahre verschieden firmierten, aktuell ist es die Seebeck Werftquartier GmbH, zum Beispiel im Oktober 2020 erklärt, die bestehenden Gebäude zu entwickeln: „Clou: Bestehende Gebäude liefern die Grundstruktur. Das spare Geld.“ (NZ 7.10.2020) „Wir nutzen hier so viel wie möglich und reißen nicht einfach wild ab, um dann wieder neu zu bauen. Beton gehört zu den energieintensivsten Materialien in der Herstellung, die es überhaupt gibt“, erklärt der 69-jährige. „Allein dadurch senken wir den CO2-Fußabdruck des zukünftigen Werftquartiers immens.“ (Petram, 26.4.2021)
Diese Haltung entspricht auch der gültigen Rahmenplanung. Aber nach dem Motto, „was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ soll die statisch stabile ehemalige Zentrale Ausrüstungswerkstatt (ZAW) abgerissen und neu bebaut werden: In der Begründung des Bebauungsplans liest sich das dann so: „Ursprünglich war der Erhalt eines Teils der Gebäudesubstanz des großvolumigen Gebäudes der ehemaligen Ausrüstungswerkstatt sowie die Aufstockung des Bestands vorgesehen. Aufgrund der vorhandenen Bausubstanz sowie der vorgesehenen Realisierung von Stellplätzen innerhalb des Gebäudes wurde von der ursprünglichen Idee Abstand genommen und der südliche Teil gemäß den grundlegenden Vorgaben des Rahmenplanes konzeptionell neu strukturiert.“ Das hätte man gerne etwas genauer begründet bekommen.
Eine massive Abweichung vom Rahmenplan ist die Grenzziehung des Bebauungsplans 500, die der Viertelbildung innerhalb des gesamten Quartiers widerspricht. So gehört der Bereich, auf dem früher das Verwaltungsgebäude der Seebeck-Werft stand, dem sog. Campus-Quartier an, der Bereich mit dem ehemaligen ZAW aber dem sog. Park-Quartier. Damit wird eine grundsätzlich wichtige Zielsetzung mit dieser Quartiersaufteilung ohne Not aufgegeben. Natürlich nur auf Wunsch des Investors.

Übersicht zum städtebaulichen Konzept im Rahmenplan, der Geltungsbereich des Bebauungsplans 500 ist rot umrandet.

Und schließlich gibt es praktisch keine relevanten Auflagen für die Bebauung selbst, was für ein solches Projekt ausgesprochen ungewöhnlich ist. Das führt dann dazu, dass es nur ein Kriterium für die Vorhaben von Petram und seiner Gruppe gibt, und das lautet GELD. Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit, soziokulturelle Aspekte, Ästhetik, alles Elemente, die letztlich ein Wohngebiet attraktiv machen können, fehlen. Stattdessen erinnert der namenlose Entwurf wie Dutzendware mit geschmäcklerischem Zierrat („maurisch“!) eher an Plattenbauten wie die Grohner Düne in Vegesack, wenn auch nicht ganz so hoch, aber dennoch gewaltig massiv. Eine qualitativ hochwertige Quartiersmarke sähe wohl anders aus, was für einen wichtigen Ort im neuen Werftquartier angemessen wäre. Und das in einer Stadt, die mit Recht stolz auf namhafte Architekten sein kann, die prägende Bauten geschaffen haben von der Hochschule (Gottfried Böhm), den AWI Gebäuden von O. M. Ungers und Otto Steidle bis hin zu den Deichhäusern von Peter Weber.

Quelle: IEK Grohn; Quartiersmanagement Grohn
Es würde der Stadt deshalb gut zu Gesicht, die eigenen Beschlüsse ernst zu nehmen und in den Bebauungsplan zum einen die Vorgaben des Rahmenplans aufzunehmen und zum anderen einen Architekturwettbewerb vorzuschreiben. Denn wenn es gelingen soll, dass zumindest ein Bruchteil der rund 3000 Wohneinheiten im Werftquartier mit 3300 neuen (!) Arbeitsplätzen geschaffen werden kann, kommt es nicht zuletzt darauf an, auf hohe architektonische und nachhaltige Qualität zu achten.
Ach ja, noch ein Wort zum Schluss: „Baustart“ klingt gut, ist aber in Wirklichkeit sehr aufgeblasen, denn was die Investoren um Petram und Ehlerding tatsächlich machen wollen, ist die Abgabe eines Antrags für eine Baugenehmigung. Doch die, siehe oben, kann überhaupt nur bearbeitet und erteilt werden, wenn es Planrecht gibt, also eine Änderung des Flächennutzungsplans und einen gültigen Bebauungsplan. Gibt es aber noch nicht.